Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. (Ludwig Wittgenstein)

Ein Blog-Beitrag zum internationalen Frauentag mit vielen Ausrufezeichen und Fragezeichen


Frauen auftauchen lassen!

Es gibt aus viele Gründe, Frauen explizit mehr in der Sprache zu berücksichtigen. Wir gehen davon aus, dass unsere Sprache das Denken und auch das Bewusstsein bestimmt. Dies lässt sich wissenschaftlich belegen. Ein Beispiel hierfür ist ein oft rezipiertes und inzwischen vielfach wiederholtes Experiment: Eine Gruppe von Proband*innen wurde nach berühmten Politikern, Sportlern, Schriftstellern, Malern usw. gefragt, eine weitere Gruppe nach berühmten Politikerinnen und Politikern, Sportlerinnen und Sportlern, Schriftstellerinnen und Schriftstellern, Malerinnen und Malern usw. Die Ergebnisse zeigten: in der zweiten Gruppe gab es bis zu einem Drittel mehr Nennungen von Frauen als in der ersten Gruppe. Das heißt, Sprache beeinflusst nicht nur unser Denken, sie schafft auch Realität. Sprechen wir beispielsweise nur von Geschäftsführern, sowie von KrankenSchwestern, ziehen möglicherweise weniger Frauen respektive Männer diese Berufsfelder von vorneherein für sich in Betracht. Sucht ein Unternehmer einen Nachfolger, findet er keine Frau für diese Position. Die Wissenschaftlerin Evelyn Ferstl* verdeutlicht: „Beim generischen Maskulinum stellt man sich eine männliche Gruppe vor.“ Sprache beeinflusst die Gleichberechtigung der Geschlechter, so ihr Ansatz. Und wenn Frauen nicht explizit genannt werden, werden sie eben auch nicht mitgedacht.

Frauen verdienen weiter weniger als Männer, geht’s noch?

In einer repräsentativen Studie des Bundesfamilienministeriums von 2016 hatten Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren etwa die gleichen Schulabschlüsse wie Männer – und 82 Prozent hatten eine berufliche Qualifikation. Dennoch waren nur 39 Prozent der Frauen in Vollzeit beschäftigt, aber 88 Prozent der Männer. Über ein eigenes Nettoeinkommen von mehr als 2000 Euro verfügten nur zehn Prozent der Frauen, aber 42 Prozent der Männer. Dafür gibt es viele, auch strukturelle Gründe. Meine Hypothese dazu schließt an die Erkenntnisse der Studien von Frau Ferstl an: Mit Sprache manifestieren wir Strukturen, die Frauen abhängig halten und Altersarmut wahrscheinlicher machen.

Respekt!

Erfolgreiches, sinnvolles Arbeiten folgt einer Grundordnung im respektvollen Umgang miteinander. Respekt lässt sich auch über Sprache zeigen, indem nicht nur das generische Maskulinum verwendet wird, bei dem andere Geschlechter einfach unerwähnt bleiben oder bloß „mitgemeint“ sind, sondern alle angesprochen werden.

Das verändert unsere Sprache? Ja!

Sprache befindet sich seit jeher im Wandel, weshalb beispielsweise auch die wenigsten von uns des Mittelhochdeutschen mächtig sind. Ein Sprachwandel hin zu einer geschlechtergerechten Sprache stellt mithin keinen Bruch, sondern eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Sprache dar. Dass es auf dem Weg dahin vielleicht holpert und manche Formulierungsversuche uns sperrig erscheinen, liegt in der Natur der Sache. Wir sind die Worte noch nicht gewohnt. Doch Gewohnheit heißt Stillstand, wagen wir die Irritation!

Und außerdem ist es RECHT, also SOLL!

Das Grundgesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und andere normative Grundlagen verlangen explizit die Gleichstellung der Geschlechter. Zahlreiche Beschlüsse dienen dazu, die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu verwirklichen. Dazu gehört z.B. auch die Gleichbehandlung der Geschlechter in der Rechtssprache, denn ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch, der Frauen und Männer explizit nennt, gezielt anspricht, wertfrei bezeichnet und somit wahrnehmbar macht, ist ein wichtiger Schritt zur Realisierung von Gleichstellung und Chancengleichheit. In Niedersachsen schreibt der „Beschluss des Landesministeriums über Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ vom 9.Juli 1991 (Nds. MBl. S.911) die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache vor.

Was wir in unserer Arbeit als Prozessbegleiter*innen tun

  • Wir arbeiten als Prozessbegleiter*innen in der Regel mit Menschen unterschiedlicher Geschlechter und versuchen diese Tatsache auch durchgängig sprachlich zu berücksichtigen.
  • Wir gehen über Sprache in Kontakt.
  • Wir sichern über Sprache Verständigung und Partizipation. Auch wenn wir damit Menschen irritieren oder nerven.
  • Wenn wir einen Anspruch auf Qualität in der Prozessbegleitung erheben, solle sich dieser auch in der Sprache widerspiegeln.
  • Und mal ehrlich, liebe Leser*innen,
  • wenn die Rechts- Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder bereits seit Anfang der 90er Jahre anordnen, im dienstlichen Schriftverkehr die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck zu bringen – sollte es doch möglich sein, dies auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen umzusetzen – so auch in unserer Arbeit.

8. März 2020: Mach Deine Welt größer!

Quellen          

Antje Mein