„Ich kann nicht! …will nicht! …darf gar nicht!“, die Arme verschränkt oder die Körperhaltung schlapp – oder: die ganze Person schon wieder zur Tür hinaus. Angriff, Rückzug, nicht-überzeugtes Zustimmen, um in Ruhe gelassen zu werden – wir alle kennen die vielen verschiedenen Erscheinungsformen von Widerstand. Von unseren Kolleg*innen – und natürlich von uns selber. ,Wann immer wir größere oder vermeintlich kleinere Veränderungen anstoßen, lösen wir wahrscheinlich Befürchtungen aus, schränken womöglich individuelle Handlungsfreiheiten ein, vielleicht bedrohen wir sogar Eigeninteressen. Das Auftreten von Widerständen in verschiedenen Formen ist also eine erwartbare Reaktion. Und gleichzeitig, sobald wir Veränderungsbeteiligten wertschätzend begegnen, erleben wir Menschen eben nicht veränderungsresistent und starr, sondern ambivalent in ihren Gedanken, Gefühlen und ihrem Verhalten.
Wir haben in den letzten Jahren gelernt: Widerstand hat im Veränderungsprozess eine wichtige Funktion und wir können ihn konstruktiv nutzen. Widerstand entsteht in der zwischenmenschlichen Interaktion. Wir erkennen
- Verstehensmangel – wenn die Ziele, die Hintergründe oder die Motive einer Maßnahme (noch) nicht verstanden wurden
- Vertrauensmangel –wennzwar verstanden wurde, worum es geht, aber dem Gesagten (noch) nicht geglaubt werden kann
- Kooperationsmangel – wenn verstanden wurde, worum es geht aber (noch) nicht mitgegangen werden kann oder will, weil der oder die Betroffene sich von der vorgesehen Maßnahmen keine positiven Konsequenzen verspricht
Auch wenn typische menschliche Bedürfnisse bedroht sind, tritt Widerstand auf:
- das Bedürfnis nach Selbstbestimmung (Autonomie) – wir fürchten uns vor Kontrollverlust auf unbekannten Wegen oder einer unklaren Zukunft
- das Bedürfnis nach Zugehörigkeit – wenn Teams und Kooperationen neu organisiert werden
- das Bedürfnis nach dem Erleben der eigenen Kompetenz – wenn wir Kritik an unserer bisherigen Praxis erfahren und neues Wissen und neue Sichtweisen wichtig werden
All dies kann im Mangel Widerstand auslösen. Motivierend einwirken können wir, wenn wir es schaffen, den dahinterliegenden Bedürfnissen mit Wertschätzung und Klarheit zu begegnen. Wir heißen den uns begegnenden Widerstand als nützlichen Teil des Prozesses willkommen. Dann gibt uns dieser die Gelegenheit, zu ergründen, was es da wert ist, so energisch verteidigt zu werden. Mit seiner Kraft, Energie und dem mitschwingenden Wissen gestalten wir unseren Prozess (noch) besser und erreichen eine (noch) höhere Verbindlichkeit der Beteiligten. Wenn wir dem Widerstand geschmeidig begegnen – ihn vielleicht sogar zum Tanz auffordern – bleiben wir generativ handlungsfähig.
Miller und Rollnick bieten uns wunderbare Methoden für den geschmeidigen Umgang mit Widerstand an: hilfreiche erste Sätze, um ernst gemeintes Interesse an den zugrunde liegenden, zu schützenden Bedürfnissen auszudrücken und wieder in einen guten Kontakt mit unserem Gegenüber zu treten. Folgend eine Auswahl:
Widerspiegeln der Ambivalenz
A: „Am liebsten würde ich alles hinschmeißen und kündigen.“
B: „Einerseits würden sie am liebsten diesen Job aufgeben, andererseits hält sie etwas in diesem Unternehmen.“
Betonung der persönlichen Wahlfreiheit
A: „Das geht Sie doch gar nichts an, wie ich meine Aufgaben erledige!“
B: „Sie haben völlig recht: Sie sind der Experte für Ihren Bereich! Und es ist ihre Verantwortung und Entscheidung, wie Sie die Aufgaben erfüllen. Lassen Sie uns darüber sprechen, mit welchen Methoden Sie gute Erfahrungen machen.
Reframing
A: „Ständig kommen alle zu mir und haben Fragen und wollen was von mir, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. B: „Bei ihnen ist richtig was los! Das hört sich auch lebendig an.“
Zustimmung mit einer Wendung
A: „Hier geht es ständig nur um meine angebliche mangelnde Kooperation, mir gehen aber ganz andere Sachen durch den Kopf!“
B: „Stimmt, wir haben die ganze Zeit nur über die Anforderungen an Sie gesprochen. Es geht aber letztlich um die ganzheitliche Arbeitsorganisation und die sollte stimmig sein.“
Mit der Position des Klienten konform gehen („coming along side“
A: „Es nervt mich, dass ich ständig alles neu organisieren soll!“
B: „Ich kann das gut verstehen, dass sie das nervt. Erzählen Sie doch noch mal, wie es aus ihrer Sicht ist.“
Um Entschuldigung bitten
A: „Das geht jedoch gar nichts an, wie ich das mache!“
B: „Es tut mir leid, wenn sie meine Fragen als übergriffig empfinden. Ich würde einfach gerne mit Ihnen eine Lösung suchen.“
Würdigung
A: „Ich mache alles mit, und nie ist es genug. Und dann kommen auch noch die Vorgesetzten und wollen mir einreden, dass ich alles ganz anders machen soll.“
B: „Sie haben Recht. Es ist schon bewundernswert, was sie alles schaffen und leisten [Im Sinne einer guten Feedbackkultur könnte man hier noch einmal beschreiben, was der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin konkret leistet].“
Fokus verschieben
A: „Es mag ja sein, dass momentan nicht alles rund läuft, aber in früheren Jobs kannte ich die Probleme einfach nicht.“
B: „Sie merken auch, dass es zur Zeit Probleme gibt. Lassen Sie uns doch noch mal drüber reden was auch gut läuft.“
Literatur: E. Deci, & R. Ryan (2008): Self-Determination Theory: A Macrotheory of Human Motivation, Development, and Health und W. Miller, S. Rollnick: Motivierende Gesprächsführung: Motivational Interviewing, Lambertus Verlag 2015
Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
Das Schöne am Widerstand ist, dass er so verlässlich auftaucht wie ein Gewitter am Abend eines schwülen Sommertages. Also freuen wir uns über Sturzregen, Blitz und Donner und wappnen uns mit einem guten Unterstand.
Ich habe für mich viele gute Unterstände bauen können, sehr geholfen haben dabei das Coaching und die Weiterbildungen bei der Gesunden Karriere. Mir fallen nun schneller und leichter kluge Worte ein, ich bediene mich der Behutsamkeit und der Verspieltheit aus der Generativen Prozessbegleitungs-Triade und beherzige ALI – atmen – lächeln – innehalten.
Oh liebe Iris, danke für Deine schönen Worte!
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